Netzneutralität: Es geht um mehr, als nur um neue Tarife bei der Telekom

Politik

Die Telekom hat angekündigt, bei Überschreitung bestimmter Datentransferobergrenzen die Internetbandbreite des Anschlusses auf 384 Kbit/s zu reduzieren. Dass ist ein wenig mehr als Edge-Bandbreite im Mobilfunk. Wer viel surft kann dann weitere Volumenpaket kaufen. Wo ist das Problem?
Erstens ist viel relativ: Ein Film in HD mit einer Länge von 2 Stunden hat eine ungefähre Datengröße von 10 Gigabyte. Ein paar Filme im Monat, ein Fotobuch hochladen und ein bisschen Youtube-Videos anschauen und schon sind die 75 GB im Monat aufgebraucht.
Zweitens geht es eben nicht nur um Datentransfers. Die Diskussion betrifft nicht nur Kunden der Deutschen Telekom. Es geht hier um den sperrigen Begriff der Netzneutralität und ein Ende der Netzneutralität würde ein Zwei-Klassen Internet befördern.

Die Telekom hat nämlich zusätzlich angekündigt, dass die eigenen Angebote (T-Home Entertain, Kooperation mit Spotify) aus dem Datentransfer ausgerechnet werden. Und damit verlässt sie die Grundlage eines „neutralen“ Netzes, also einem Netz, dem es egal ist, was darüber transportiert wird. Chip-Online Redakteur Christoph Elzer sagt, worum es geht: „Im Klartext heißt dies, dass Telekom-Kunden künftig nur noch über den hauseigenen Dienst Entertain sorglos IPTV schauen können. Wenn über andere Dienstleister wie beispielsweise Apple iTunes, Lovefilm oder Maxdome Filme und Serien konsumiert werden, droht die Drosselung.“
Begründet wird der Schritt zu einer differenzierten Bezahlung von Daten mit den hohen Investitionskosten in die Netze. Aber bereits jetzt wird jeder Traffic im Netz doppelt bezahlt: Einmal von dem der den Inhalt ins Netz stellt, einmal von dem der ihn sich ansieht. In neutralen Netzen spielt es keine Rolle, welche Daten das sind.
Analog zum Stromnetz würde dies bedeuten, dass die Kooperation eines Stromanbieters mit einem Waschmaschinenhersteller zu günstigeren Stromtarife für Nutzer der „Hausmarke“ führen würde. Der Gesetzgeber hat dies zurecht unterbunden. Große Unternehmen können sich so künstliche Eintrittsbarrieren in ihre Märkte erkaufen und dadurch Innovationen behindern. Übertragen auf das Internet bedeutet dies: Große Inhaltsanbieter würden größere Marktanteile erlangen, da sie besser erreichbar sind. Dies verringert die Markttransparenz und begünstigst kartellartige Strukturen. Es gibt keinen Markt, in dem dies irgendwo zu Kostenvorteilen geführt hätte. Durch die zunehmende Konzentration befinden sich die Internetübertragungskapazitäten nur noch in der Hand weniger Unternehmen. Der Vergleich mit dem Ölkartell OPEC ist hier nicht von der Hand zu weisen. Wollen wir eine OPEC 2.0, die bestimmt, welche Daten wie durch die Netze fließt?
Am Ende leiden also alle Nutzer, nicht nur die Kunden der Telekom, wenn bestimmte Dienste nur noch über direkte Kooperationen mit Providern und gar nicht mehr in Form von offenen Internetplattformen verfügbar sind. Man hat dann nicht mehr die freie Wahl oder muss Verträge mit mehreren Providern abschließen. Nicht Qualität und Nutzen der Produkte, sondern allein das Geld würde den Marktzugang erschließen. Dann müssten sich Alternative und neue Anbieter hinten anstellen oder würden komplett verdrängt. Der Leidtragende wäre in jedem Fall der Kunde, ob Privatperson oder Unternehmen. Und deswegen geht diese Diskussion uns alle an!
Die Netzneutralität war auch in dieser Legislaturperiode häufiges Thema im Bundestag. CDU und FDP haben sich in der Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ im Bundestag gegen die Festschreibung der Netzneutralität gewehrt. Anders sieht es die SPD. Wir haben in unserem Regierungsprogramm klipp und klar stehen: „Wir werden die Netzneutralität gesetzlich verankern.“ Und das ist auch gut und richtig so!

12 Gedanken zu „Netzneutralität: Es geht um mehr, als nur um neue Tarife bei der Telekom“

  1. Diese Diskussion geht uns alle an?
    Die meisten Nutzer benötigen und nutzen ihren Anschluss für die Freizeitgestaltung. Die ursprüngliche Nutzung des freien Informationaustausches, geht fast unter. Somit kann es den meisten egal sein wie neutral das Netz ist.
    Der Ausbau des eigenen Marktanteil kann man der Telekom nicht übel nehmen. Immerhin hat sie auch das Netz zu erhalten. Zudem ist es die Frage, ob eine Kabelnetz noch konkurentzfrei ist. Bei mir vor Ort ist das LTE Netz wesentlich aktraktiver als jedes Kabel. Beim Hausbau 2010 habe ich nichtmal ein Telefonkabel der Telekom legen lassen und bin trotzdem sehr gut erreichbar. Sowas zeigt mir, dass die Neutralität nicht unbedingt durch teilweise oder vollkommende Verstaatlichung garantiert ist. Die Entwicklung im IT Markt ist zu schnell, als das man sie auf dem trägen staatlichen Wege regulieren könnte.
    Gruß
    Sven

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  2. Ich spreche hier nicht von Verstaatlichung.
    Bei LTE teilen sich viele eine Zelle (Shared Medium) und ist eben nicht attraktiver, als ein Kabel, da eine bestimmte Bandbreite garantiert ist. Ausserdem ist LTE Mobilfunk und kennt keine Netzneutralität. Frag mal diejenigen, deren Provider hier zum Beispiel Skype unterbindet.
    Gerade weil der IT-Markt so schnell ist, muss es darum gehen, die Innovationskraft zu erhalten. Dafür muss der Staat Rahmenbedingung setzen. Ein nicht-neutrales Netz wäre zum Beispiel total mittelstandsfeindlich. Der Mittelstand ist in Deutschland der einzig verbliebene Innovationsmotor. Ein Angriff auf die Netzneutralität ist auch ein Angriff auf den Mittelstand. Denn dieser braucht einen einfachen und bezahlbaren Zugang zum Internet.

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  3. @Sven: LTE funktioniert aber auch nur dann, wenn die Bedingungen optimal sind. Wir hatten damit schon richtig Ärger und die Leistung ist bis heute nicht mal annähernd erreicht worden. Zudem merkt man Stoßzeiten (Abends bspw.) sehr deutlich. Bei uns hat nur die Eigenanschaffung einer externen Richtantenne geholfen. Unterstützung von der Telekom gab es hierbei nicht.
    Ein wirklicher Ersatz ist LTE nicht.

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  4. das Problem ist doch, dass viele „Flatrate“ mit grenzenlosem Datenvolumen gleichsetzen. Dabei ist Flatrate nur eine kalkulatorische Größe bzw. eine Marketingbegriff.
    Natürlich kann man Netzneutralität krtisieren, aber dann sollte man vllt. auch ehrlich sagen wer den Traffic am Ende bezahlt? bei einer Kooperation ist das klar, wenn es keine Kooperation gibt, dann wird der Traffic zu kosten der anderen Teilnehmer gehen. Und man braucht nicht glauben, nur weil der Staat nen bissl Infrastruktur subventioniert, dass davon die exponentiell steigenden Kosten und Kapazitätsengpässe in Sachen Traffic getragen werden. Aber das scheint niemanden zu interessieren, denn das Internet kommt aus der Steckdose und wenn es mal wieder nicht funktioniert, ist die Telekom schuld. Dass aber auch das eigene Verhalten dazu beiträgt, scheint wenigen bewusst. Dass auch eine Daten-AUTOBAHN ihre Grenzen hat, scheint nebensächlich.
    Dass Flatrates gedrosselt werden, ist doch nix neues und wird im Mobilfunk schon praktiziert, gerade weil dort die Kapazitäten grenzwertig sind.
    Wenn wir so sorglos mit unserem Stromkonsum umgingen wie mit dem Traffic, dann hätten wir ein Klimaproblem. Und vielleicht hilft die Maßnahme auch mal über dieses Thema ehrlich nachzudenken. Im Mobilfunkbereich machen sich die Menschen wegen der Drosselung gedanken bzw. werden dank Drosselung nicht abgeschnitten.
    Und zu guter letzt, niemand ist gezwungen einen Anschluss der DTAG zu kaufen, wenn er glaubt sich lieber von Pseudo-Flatrates anderer Anbieter beirren zu lassen, dann soll er das tun.

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  5. Wenn es nur um die Drosselung ginge, wäre der Aufschrei auch da, aber nicht so lauthals. Hab’s ja oben bereits geschrieben. Jeder Traffic im Netz wird doppelt bezahlt: Einmal von dem der den Inhalt ins Netz stellt, einmal von dem der ihn sich ansieht. Bei Flatrate-Tarifen gibt es eine Mischkalkulation, aber es ist Sache des Anbieters, solche Tarife zu verkaufen und die der Kunden, solche Tarife zu nutzen. Dies ist das Geschäftsmodell der Carrier. Es geht aber um die Neutralität der Abrechnung! In neutralen Netzen spielt es keine Rolle, welche Daten das sind. Nur so kannst Du in einem stark konzentrierten Markt Wettbewerb forcieren und Innovation stärken.
    Was das Argumt der Investition in die Infrastuktur betrifft: Es passt einfach nicht, wenn beispielsweise die Telekom Investitionen zurückstellt und gleichzeitig einen Aktienrückkauf startet.
    Die andere Komponente ist die mangelnde Unterstützung des Breitbandausbaus durch die Bundesregierung. Hätte Deutschland die Automobilindustrie so behandelt, wie die IT-Wirtschaft, würden die BMWs und Daimlers über Schotterpisten ruckeln.

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