Kapernaum: Gotteshäuser sollen versöhnen, nicht spalten!

Politik

Ehemalige Kapernaum-Kirche

Die geplante Umwandlung der ehemaligen Kapernaum-Kirche in der Sievekingsallee in Horn in eine Moschee ist ein vielbeachtetes Thema. Leider wird die Diskussion auch für populistische Kommentare aus der Politik und Kirche genutzt. Diese werden der Verantwortung für das Miteinander nicht gerecht und sorgen für Irritationen und Zweifel, wo Einigkeit und Klarheit gefordert ist.
Ich fühle mich der Kapernaum-Kirche verbunden, wohne quasi gegenüber, meine Schwester ist dort konfirmiert worden und der derzeitige Zustand ist zum verzweifeln und für viele Menschen – insbesondere für die direkten Anwohner – ein großes Ärgernis.
Bereits im vergangenen Jahr war die Vermüllungssituation wiederholt Thema im Regionalausschuss. Als wir die Verwaltung aufgefordert haben, Kontakt mit dem Eigentümer aufzunehmen haben wir dann Anfang des Jahres die Nachricht erhalten, dass das Gebäude an die Al-Nour-Gemeinde verkauft wurde und diese dort eine Moschee einrichten möchte. Seit Bekanntwerden des Kaufs der Kapernaum-Kirche durch die Al-Nour-Gemeinde bin ich im direkten Gespräch mit den Gemeindevertretern. Wir führen einen sehr offenen Dialog und ich habe das Gefühl, dass die Gemeinde sehr sorgsam mit der Thematik umgeht. Vorgänge wie diese zeigen, dass wir nicht mehr Trennung, sondern mehr Dialog zwischen den Religionen und einen partnerschaftlichen Umgang mit religiöser und kultureller Pluralität in unserer Stadt benötigen. Zu dem gesamten Vorgang habe ich eine schriftliche Anfrage an den Senat gestellt, mit der ich die Hintergründe erfrage.

Der demografische Wandel und die damit einhergehenden sinkenden Mitgliederzahlen der christlichen Kirchen in Deutschland führen zu zahlreichen nicht mehr ausgelasteten Kirchengebäuden. Allein in Hamburg werden bereits 13 Kirchengebäude anderweitig genutzt. So wurde die Simeonkirche in Hamm an die Griechisch-Orthodoxe Kirche und die Gnadenkirche an die Russisch-Orthodoxe Kirche verkauft. Die Nathanael Kirche in Horn wird nun durch eine afrikanische Gemeinde genutzt. Des Weiteren wurde in Wilhelmsburg in der Eckermannstraße bereits vor Jahren eine ehemals christliche Kirche einer muslimischen Gemeinde zur Verfügung gestellt.
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Nach dem Zusammenschluss einiger Horner Kirchengemeinden hatte der Kirchenkreis Hamburg-Ost die baufällige Kapernaum-Kirche, die denkmalgeschützt ist und deswegen nicht abgerissen werden durfte, bereits 2005 an einen Kaufmann veräußert. Dieser hatte zugesichert, auf dem Gelände zusätzliche Alten- und Pflegewohnheime zu schaffen. Tatsächlich hielt er sich größtenteils daran, lediglich die Pläne zur Einrichtung einer Kita im ehemaligen Kirchengebäude zerschlugen sich – die Kirche selbst blieb ungenutzt.
Nun gibt es erwartungsgemäß Stimmen unterschiedlichster Couleur. Zum Teil wird Kritik laut: Menschen sehen mit Sorge Zeichen ihrer kulturellen Tradition schwinden und aus Reihen der Kirche wird von religiöser Beliebigkeit gesprochen. Andere sehen die Nutzung pragmatischer und befürworten, dass ein lange leerstehendes Gebäude nun wieder genutzt und für voraussichtlich eine Million Euro – die nicht aus Steuergeldern stammen, sondern durch Spenden aufgebracht werden sollen – saniert wird. Nicht zuletzt begrüßen viele Hamburger, dass eine muslimische Glaubensgemeinschaft aus einer Tiefgarage ziehen kann und sich durch einen Umzug in eine zentrale, weniger abgeschottet wirkende Lage so auch räumlich öffnet für interessierte Nicht-Muslime. Auch das Medienecho ist erfreulich moderat und wenig effektheischerisch: Selbst die Bild-Zeitung, nicht gerade bekannt für unaufgeregte Berichterstattung, titelte eher beiläufig: „Kirchen-Verkauf – Warum diese Aufregung?“.
Einzig die CDU – hier vor Ort, bis hin zur Landesspitze – versucht aus der Situation politisches Kapital zu schlagen und übt sich in Bedenkenträgerei und verunsichert die Bevölkerung mit Unwahrheiten (kein Dialog gewünscht, Muezzin-Rufe). Der Großteil der von der CDU angeführten Bedenken war bereits im Vorfeld ausgeräumt worden. Ich und viele Menschen mit denen ich gesprochen habe, halten das Auftreten der CDU für unverantwortlich. Vor dem Hinblick der auch von der CDU unterstützen Verhandlungen zu den Staatsverträgen mit den muslimischen Glaubensgemeinschaften gibt die CDU hier kein gutes Bild ab.
Umso erfreulicher ist es, dass die Bezirksversammlung auf der gestrigen Sitzung eine Resolution mit Stimmen der SPD, FDP, Grünen, Linke und Piraten verabschiedet hat. „Gotteshäuser sollen versöhnen, nicht spalten“ heißt es da in Anlehnung an einen Aufruf meines Kollegen Wolfang Roses, dem sich schon viele Menschen angeschlossen haben. Die Bezirksversammlung begrüßt, dass die Al-Nour-Gemeinde in Kürze in Horn eine öffentliche Informationsveranstaltung durchführen will und wird die Gemeinde dabei unterstützen. Auch das Motto der Al-Nour-Gemeinde „Außen Kirche, innen Moschee“ wird begrüßt und es wird gefordert, dass in Zukunft auch in geeigneter Weise an die historische Nutzung erinnert wird.
Auch die Kirche steht hier in der Verantwortung für einen vernünftigen Umgang mit der Situation. Es ist gut, dass die Bischöfin Fehrs die Situation konsensorientiert und positiv gestalten will. Hamburg, das als erstes deutsches Bundesland einen Staatsvertrag mit muslimischen und alevitischen Verbänden schließen will, gilt gemeinhin als gutes Beispiel für einen funktionierenden interreligiösen Dialog. Anerkannter und respektierter Gesprächspartner ist dabei auch immer wieder die bereits 1993 gegründete Gemeinde Al-Nour.
Natürlich müssen die Sorgen und Ängste der Horner Bürgerinnen und Bürger Ernst genommen werden. Ein offener Dialog und eine allen zugängliche Moschee scheinen nichtsdestotrotz vielversprechender für ein partnerschaftliches Zusammenleben der verschiedenen Religionsgemeinschaften in Hamburg als eine Moschee in einer unterirdischen Tiefgarage, abseits der öffentlichen Wahrnehmung in St. Georg und ein vor sich hin rottendes aufgegebenes Kirchengebäude in Horn.
Die Zukunft wird zeigen, wie die Hornerinnen und Horner auf ihre neuen Nachbarn reagieren. Schritte aufeinander zu gibt es bereits aus beiden Richtungen: Die Vertreter der Al-Nour-Gemeinde wollen mit einer Informationsveranstaltung im Februar oder März Berührungsängste abbauen. Der Kirchenvorstand Horn hat seinerseits bereits Daniel Abdin und den Imam Samir El-Rajab zu seiner nächsten Vorstandssitzung eingeladen.
Ich hoffe, dass wir in Horn uns alle für ein respektvolles Miteinander in guten Nachbarschaften einsetzen und sachorientiert mit dem Thema umgehen. Auf uns werden in den kommenden Monate viele Menschen schauen und wir müssen darauf achten, dass hier nicht vorschnell falsche Urteile über unseren ganzen Stadtteil und die hier lebenden Menschen gefällt werden.
[Schriftliche Kleine Anfrage: Moschee in der ehemaligen Kapernaum-Kirche]
[Resolution der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte: Gotteshäuser sollen versöhnen, nicht spalten]
[HH-Mittendrin: Gespräch mit dem Vorsitzenden des islamischen Zentrums Al-Nour]
[Information der Al-Nour-Gemeinde zum Kauf der ehemaligen Kapernaum-Kirche]

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