Ein paar Gedanken zur Debatte um das Leistungsschutzrecht

Politik

Für Google könnte es ernst werden in Deutschland – das veranlasst den Internetriesen jetzt zu einer Offensive gegen das geplante Leistungsschutzrecht. Seit gestern führt unter dem Eingabefeld für die Suchanfragen ein Link zu einem kurzen und eingängigen Video, welches das von der schwarz-gelben Regierung geplante Gesetz zum Leistungsschutzrecht angreift. Darunter findet der geneigte Leser Informationen zu den aus Sicht von Google und Experten dramatischen Auswirkungen auf Wirtschaft und Medien in Deutschland, sollte das Gesetz wie geplant am Donnerstag verabschiedet werden.

Dass der unangefochtene Platzhirsch der Internet-Suchmaschinen so unumwunden mobil macht gegen ein geplantes Gesetz der Regierungskoalition und damit vermutlich mehr Bürgerinnen und Bürger erreicht als alle Infostände in deutschen Fußgängerzonen zusammen, verursacht durchaus dem ein oder anderen berechtigte Bauchschmerzen. Ein Konzern, der im Suchmaschinenbereich ein Quasi-Monopol hat, nutzt seine Reichweite für eine politische Kampagne. Was in den USA durchaus üblich ist, ist in Deutschland unüblich. Auch die hinter dem Leistungsschutzrecht stehenden Verlage haben ihre Medien in Stellung gebracht. Eine konzertierte Aktion, wo beispielsweise alle Tageszeitungen mit dem gleichen Aufmacher titeln, haben wir noch nicht gesehen. Allerdings wird der aufmerksame Medienbeobachter in der Presse überwiegend positive Berichterstattung zum Leistungsschutzrecht bemerken. Ich finde diese Entwicklung insgesamt bedenklich.
In der Sache ändert das jedoch nichts daran, dass dieses Gesetz leider wirklich das Papier nicht wert ist, auf dem die schwarz-gelbe Koalition es verabschieden will. Mit dem geplanten Leistungsschutzrecht sollen vordergründig Urheber geschützt werden. Dazu sollen gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren, künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen (wie Zeitungsartikel) im Internet ein Entgelt an die Verlage zahlen. Wie ich bereits in meinem Beitrag im März schrieb , liefert die Regierung damit aber keine Antwort darauf, wie Journalisten in einer immer stärker digitalisierten Arbeitswelt angemessene Einkommen erzielen können. Darüber hinaus aber könnten Innovationen auf den digitalen Märkten auf diese Weise verhindert werden. In jedem Fall werden die Gräben zwischen der Offline-Verlagswelt und der Online-(Medien)gesellschaft vertieft.
Als Grund für ein Leistungsschutzrecht wird immer Google News als Beispiel angeführt. In Belgien hat Google nach Einführung eines ähnlichen Gesetzes die ein Teil der Verlage kurzerhand aus dem Index geworfen. Must-Carry-Regelungen, wie beispielsweise im Fernsehmarkt, gibt es nicht. Google mit seiner Markmacht wird auch ohne die Headlines von bestimmten Titeln überleben, ja selbst komplett ohne Google News würde die Welt für Google nicht untergehen. Aber kleine, innovative Angebote wie Rivva.de dürften nicht überleben. Die vielgescholtene Markmacht von Google würde eventuell sogar zementiert werden.
Einzig den großen Verlagshäusern einen Anteil vom Erlös durch Suchmaschinen zu sichern ist kontraproduktiv. Vielmehr ist es notwendig, Bedingungen zu schaffen, die die gesellschaftlich wünschenswerte Produktion journalistischer Inhalte schützen und zugleich die Legitimität der Entwicklung neuer, fairer Geschäftsmodelle der Inhaltedistribution im Netz nicht in Frage stellen. Dies wäre ein wirklicher Vorteil für Kreative, Journalisten und Publizisten.
Die mangelnde Interessenabwägung zwischen Verlegern und Journalisten einerseits sowie Internet-Plattformen und Suchmaschinenanbietern auf der anderen Seite ist auch einer der Gründe für die Ablehnung des Gesetzes durch die SPD-Bundestagsfraktion und die von Olaf Scholz geäußerte Kritik an dem Gesetzesentwurf. Auch mit dieser Begründung lehnt beispielsweise der Expertenkreis des Max-Planck-Instituts das Leistungsschutzrecht ab.
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Die SPD setzt sich dafür ein, Leistungen der Urheber gerecht zu entlohnen, um die Bedingungen für kreatives Schaffen zu erhalten. Ein Gesetz wie das der schwarz-gelben Regierungskoalition ist für dieses Anliegen nicht zielführend, mit dem Schutz des Urheberrechtes hat es nur am Rande zu tun. Das von Schwarz-Gelb geplante Leistungsschutzrecht soll nämlich nicht die Inhalte selbst schützen, sondern die Investitionen in Organisation, Vermarktung und Vertrieb. Damit kollidiert es mit dem Urheberrecht der Autoren und kann deren Position eigentlich nur schwächen.
Vor diesem Hintergrund scheint die von Google angezweifelte rechtliche Sicherheit des Gesetzes schon fast nur noch das Sahnehäubchen auf der Kritik am schwarz-gelben Gesetzesentwurf. Tatsächlich ist jedoch auch dieser Kritikpunkt alles andere als banal. Als Resultat dieser bemerkenswerten Google-Kampagne bleibt ein leichtes Schaudern. Zu sehen, wie forsch Google vorgeht ist kaum weniger beunruhigend als die Realitätsferne des schwarz-gelben Gesetzesentwurfs zum Leistungsschutzrecht.

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