Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie konstituiert sich

Politik

Entwicklung der Kostenschätzungen für die Elbphilharmonie seit der ersten Vorplanungen in Millionen Euro (Quelle Wikipedia)

Bereits in der letzten Legislaturperiode hat sich ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit den enormen Kostensteigerungen, den widersprüchlichen Angaben zur Terminsicherheit sowie den fragwürdigen Entscheidungen der CDU-geführten Senate in kritischen Phasen der Realisierung der Elbphilharmonie beschäftigt. Durch die vorzeitige Beendigung der 19. Wahlperiode konnte der Untersuchungsausschuss seine Arbeit nicht zu Ende bringen und nur einen ersten Sachstandsbericht (Drs. 19/8400) vorlegen. Mit Drs. 19/8674 hatte die alte Bürgerschaft im Februar 2011 der neuen Bürgerschaft mehrheitlich empfohlen, „die Tätigkeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie mit der Beginn der neuen Legislaturperiode fortzusetzen“.
Auf der Bürgerschaftssitzung am vergangenen Donnerstag wurde diese Wiedereinsetzung nun auf Antrag von SPD, GAL, FDP und Linkspartei gegen die Stimmen der CDU beschlossen (Drs. 20/164). Der Untersuchungsausschuss wird sich heute konstituieren und ich werde dem Ausschuss angehören.
Der neue Untersuchungsausschuss soll klären, worin die Ursachen der Kostenentwicklung für die Stadt liegen, ob Parlament und Öffentlichkeit zutreffend informiert wurden, wer für die Kostenentwicklung bzw. die Information von Parlament und Öffentlichkeit auf Seiten des alten Senats verantwortlich ist und wie in Zukunft ein solches Desaster zu verhindern ist. Hierzu werden in den künftigen Sitzungen Experten angehört und Zeugen aus Senat, Entwicklungsgesellschaft und Behördenseite vernommen.
Untersuchungsverfahren wie dieses dienen der parlamentarischen Kontrolle und erfüllen in einer Demokratie eine wichtige Aufgabe, denn durch sie erhalten Parlamente die Möglichkeit, unabhängig und selbständig die Sachverhalte zu prüfen, die sie in Erfüllung ihres Verfassungsauftrages als Vertretung des Volkes für aufklärungsbedürftig halten, insbesondere in den Verantwortungsbereich der Regierung fallende Vorgänge, die auf Missstände hinweisen. Sie sind ein sog. Minderheitenrecht, d. h. bereits ein geringer Anteil an Abgeordneten kann so ein Verfahren in Gang setzen.
Der PUA Elbphilharmonie besteht aus 11 Mitgliedern (SPD 6, CDU 2, GAL 1, FDP 1, Linke 1). Ich gehöre ihm als ständiger Vertreter an und werde hier, soweit es mir erlaubt ist, regelmäßig darüber berichten.

6 Gedanken zu „Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie konstituiert sich“

  1. Parlamentarischer Untersuchungs-Ausschuß
    zur
    Elbphilharmonie
    und wie es dazu kam
    Der gegenwärtige Zustand des Objektes ist das Resultat aus vermeidbaren Interessenskonflikten, kostenwirksamen Zielveränderungen und technisch notwendigen Plananpassungen. Alle heute bekannten Probleme haben ihre Ursachen in einem irrsinnigen Geflecht von überflüssigen, ungeklärten Zuständigkeiten und Interessen.
    Was in Hamburg politisch und wirtschaftlich Rang und Namen hatte, sollte irgendwie dabei sein dürfen und nun muß man sehen, wie man gemeinsam im Schulterschluss den Kopf aus der Schlinge bekommt.
    Aber die Argumente, Ausreden und Klagen der Freien & Hansestadt Hamburg haben rein ‚politischen‘ Charakter, so wie die Elbphilharmonie von Anfang an ein Politikum war, wie ein Blick auf die Aufsichtsräte der hanseatischen Managementgesellslchaft ReGe zeigt.
    Auch wenn Hartmut Wegener die politische Verantwortung schon übernommen hat, darf das Bauernopfer nicht darüber hinwegtäuschen, daß ‚politische Verantwortung‘ nur ein vornehmer Ausdruck ist für überhaupt keine Verantwortung.
    Es war ein vermeidbarer Interessenskonflikt von Anfang an, weil sich Hochtief mit Adamanta (IQ²) beiden Seiten verpflichtet hat. Adamanta (IQ²) gehört zum Investorenkonsortium, in dem Hochtief und die Commerz Real AG zusammengeschlossen sind. Darüber hinaus wurde Hochtief an der späteren Nutzung des Objektes wirtschftlich beteiligt. So ist Hochtief nun Partei auf beiden Seiten und formaljuristisch in einer schlechten Position.
    Aufseiten der Stadt Hamburg beginnt es damit, daß die zu erwatenden Kosten aus taktischen Gründen erst einmal dramatisch unterschätzt wurden. Alle unabhängigen Rechnungshöfe wissen von dieser üblichen Praxis beim Umgang mit öffentlichen Mitteln. Der zweite kostenwirksame Fehler auf Bauherrenseite war der Baubeginn ohne Detailplanung. Der dritte, schwerwiegendste Fehler der Freien & Hansestadt Hamburg bestand darin ihrer eigenen 100%-igen Tochter viel zu große Aufgaben zu übertragen, statt eine qualifizierte Ingenieurfirma damit zu beauftragen. Ausgerechnet beim Kostenmanagement versagte die ReGe, obwohl sie das mit gewählten Worten im Internet so überzeugend herausstellt :
    ‚Das von der ReGe durchgeführte Projektcontrolling beginnt bereits in der Vorbereitungs-phase im Rahmen der Konzeptberatung und Ausgestaltung der Verträge und wird während der gesamten Projektabwicklung als unabhängige Kontrollinstanz fortgesetzt. Als Progno-sewerkzeug bietet das Projektcontrolling der ReGe zudem die Möglichkeit, voraussichtliche Abweichungen rechtzeitig zu erkennen, die Konsequenzen zu bewerten und gegebenenfalls durch Korrekturmaßnamen gegenzusteuern.‘
    Der Text ist perfekt, so als ob ein teurer Freund bei der Formulierung Pate gestanden hätte z. B. Roland Berger, für den Herr Wegener früher tätig war und Ole von Beust neuerdings. Vielsagend geht die Werbung für die ReGe weiter :
    Die von der ReGe geplanten und gesteuerten Projekte zeichnen sich insbesondere durch ein hohes Maß an Komplexität und eine Vielzahl beteiligter Akteure in Politik, Verwaltung und Wirtschaft aus. Eine lösungsorientierte Umsetzung erfordert daher eine zielgenaue Strategieentwicklung ebenso wie ein breit gefächertes und interdisziplinär aufgestelltes Team. Ob Hochbau, Tiefbau, Wasserbau oder Infrastrukturmaßnahmen: Die ReGe bietet das gesamte Leistungsspektrum für ein erfolgreich realisiertes Bauvorhaben aus einer Hand. Nicht selten sind die durchgeführten Maßnahmen innerhalb der unterschiedlichen Projekte miteinander verknüpft oder gehen ineinander über.
    Der letzte Satz verrät schon viel von dem was kommen mußte. Jetzt kommt es für die Politik darauf an, Zeit zu gewinnen und ein PUA ist dazu ein probates, noch dazu ein demokratisches Mittel, mit dem hauptsächlich Nebensächliches ganz genau untersucht wird. Die Gerichte werden sich nicht ein-mischen, denn wenn Politik in Bedrängnis gerät, ist der Staatsanwalt stets befangen, weil sein Chef entweder Innen- oder Justizminister ist. Da dauert es meist lange, bis allein die Zuständigkeit geklärt ist. Und dann muss erst noch der Titel einer Klageschrift so formuliert werden, dass nach 5 Jahren Ermittlungsarbeit das Urteil eindeutig lauten kann : ‚Rechtswidrig, aber nicht strafbar‘.
    Herzog & De Meuron und Hochtief aber auch die hinter verschlossen Türen abgefundene Strabag hätten ein so anspruchsvolles Projekt ohne lokale und behördliche Mitwirkung gezielt zum Erfolg führen können, wenn man sie gelassen hätte. Aber die beiden Global Players haben sich von Lokal-matadoren bereitwillig in die dritte Reihe verdrängen lassen im Hinblick auf zusätzlich zu bezahlende Änderungen und lukrative Folgeaufträge. Sie wußten aus Erfahrung im Umgang mit Behörden, daß am Ende immer alles bezahlt wird. Dafür sorgen VOB, gute Verträge und gute Beziehungen. Und wenn es zum Schlimmsten kommt, kann eine Landesbürgschaft in Anspruch genommen werden für all die Extrawünsche.
    Immer noch mehr Leistungen kamen dazu und so wurde der Termin schnell immer wichtiger. So wichtig, daß Strabag kurzerhand von der Shortlist genommen wurde und als qualifizierter Mitbewer-ber ausschied, während HOCHTIEF nicht nur mit den Bauarbeiten beauftragt wurde, sondern erhielt für 20 Jahre das Facility Management, den Hotelbetrieb, die Gastronomie, das Parkhaus, den Bau und die Vermarktung aller Eigentumswohnungen. Ob das so für alle Bieter ausgeschrieben war, weiß am besten die Strabag.
    Es wäre schade, wenn zu dem Debakel der Bau nun zum Objekt der Begierde für Gutachter und Rechtsanwälte würde, denn der Streitwert ist hoch. Ausserdem käme es erneut zu erheblichen Terminverschiebungen. Zu viele Köche und Interessen verdarben den Brei von Anfang an und tun es noch immer.
    Aber eine geordnete Restabwicklung ist noch immer möglich. Allerdings müßte sowohl die ReGe, als auch die Adamanta von Verantwortung befreit werden und das Projektmanagement Fachleuten übertragen werden, damit in Hamburg nicht noch länger der Schwanz mit dem Hund wedelt.
    Dieter Radloff
    82335 Berg Richard-Wagner-Str. 4
    e-mail : galaxmarketing@aol.com
    Datum 18.2.2012

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  2. Hallo,
    wie ich sehe, stecken Sie sehr tief in der Materie und in einigen Punkten sprechen Sie die Kernprobleme genau an (z. B. Kompetenzgeflecht). Was ich nicht teile, ist Ihre Einschätzung zur Unabhängigkeit der Gerichte. Dies hat man ja gerade in dem letzten Urteil erlebt.
    Der PUA hat den Zweck, die Gründe für die ausufernden Kosten zu ergründen und für zukünftige Projekte Lehren zu ziehen.
    Wer sich einmal eine Sitzung angeschaut hat, der wird sehen, mit welcher Ernsthaftigkeit und Akribie die Mitglieder (aller Parteien!) die Zeugen befragen und die Akten im Detail auswerten.
    Gruß
    Hansjörg Schmidt

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  3. Hallo Herr Schmidt,
    auch wenn man sich klarmacht, daß ein PUA kein Gericht ist und die befragten Aufsichtsräte sich auf Verschwiegenheitspflichten berufen dürfen, oder die Aussage verweigern, oder sich brutalsmöglich an nichts erinnern können, dann wird deutlich, daß Politiker sich gut vor einem Volk schützen müssen, von dem in einer Demokratie alle Gewalt ausgeht.
    Herzliche Grüße
    Dieter Radloff

    Antworten
  4. Hallo Herr Schmidt,
    Die Elbphilharmie ist ein guter Beleg dafür, daß jeder nur das tun sollte, was er am besten kann, ohne die anderen dabei zu behindern, das ihre zu tun.
    Herzliche Grüße
    Dieter Radloff

    Antworten
  5. Eine geordnete Restabwicklung ist möglich, wenn die Freie & Hansestadt Hamburg mit ReGe und Bau KG sich endlich auf ihre politische Verantwortung zurückzieht.
    Jeder sollte sich ab sofort um das kümmern, was er gut kann, ohne andere daran zu hindern, das ihre zu tun. Nur so wird es am Ende ein Erfolg, der dann wieder viele Väter hat.
    Ziel des neuen Untersuchungsausschusses ist es, die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die Kostensteigerungen beim Bau des künftigen Konzerthaus aufzuklären. Aber auch das ist völlig nutzlos und kostet nur zusätzliches Geld.
    Klar ist schon jetzt, daß die Summe aller Kosten auf drei Beteiligte nach einem fairen Schlüssel umgelegt werden müssen :
    (1) Auf Adamanta & Hochtief 350 Mio gedeckelter Erlös
    (2) Auf ReGe & Bau KG 100 Mio Verlustabschreibung
    (3) Auf die Landesbürgschaft 100 Mio über Steuergelder
    Die eigentlichen Verursacher in Politik & Behörden können persönlich nicht belangt werden. Sie waren zwar für alles zuständig, aber am Ende sind sie für nichts verantwortlcih.
    Mit freundlichen Grüßen
    Dieter Radloff

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  6. Ende der Debatte :
    Der zweite Untersuchungsausschuss hat nach inzwischen erfolgtem Regierungwswechsel in Hamburg nur noch p a r t e i – politischen Charakter. Auch die zweite Untersuchung wird nicht viel zur Klärung beitragen können.
    Aber klar bleibt, die Kosten müssen von den am Projekt Beteiligten am Ende nach einem sozialverträglichen Schlüssel getragen werden :
    Schlichtungsvorschlag :
    (1) ReGe & Bau KG 100 Mio über Verlustabschreibung
    (2) Öffentlichkeit 50 Mio über Landesbürgschaft
    (3) Adamanta 100 Mio über Verlustabschreibung
    (4) Hochtief 250 Mio mit Leistungsnachweis
    (5) andere Beteiligte 100 Mio mit Leistungsnachweis
    ———–
    Seit Baubeginn 2007 600 Mio Summe aller Kosten
    Die Verursacher der vermeidbaren Mehrkosten und Terminverzögerungen können nur mit großem Aufwand (Gutachter & RA) genau ermittelt werden.
    Politik und Stadtverwaltung haben zwar entschieden zum Desaster beigetragen, können aber nur politische Verantwortung übernehmen, falls nicht schon geschehen.
    Dieter Radloff 12.3.2012

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